
Hast Du manchmal das Gefühl, dass es schwierig ist, glücklich zu sein? Oder dass Akzeptanz und Zufriedenheit so schwer zu erreichen sind wie der Horizont? Wenn ja, dann bist Du nicht allein.
Santosha, das Niyama der Zufriedenheit auf dem achtgliedrigen Pfad des Patanjali, mag zwar schön klingen, ist aber nicht einfach - vor allem, wenn Dir ständig negative Geschichten durch den Kopf gehen.
Aber Deine Yogapraxis kann Dir helfen, diesen Kreislauf zu durchbrechen.
Das Sanskrit-Wort santosha besteht aus zwei Teilen: sam, was vollständig oder ganz bedeutet, und tosha, was Akzeptanz, Zufriedenheit und Zufriedenstellung bedeutet. Zusammen ergeben sie ein Wort, das vollständige Akzeptanz oder Zufriedenheit bedeutet. Santosha kann ein schwer zu fassendes Konzept sein, vor allem, wenn unsere persönliche Geschichte von negativen Gedanken geprägt ist wie "Ich bin nicht gut genug", "Ich werde niemals glücklich und erfolgreich sein" … .
Es ist schwer, das Gute in sich selbst und in anderen zu sehen, geschweige denn, auch nur flüchtige Momente der Zufriedenheit zu empfinden, wenn Du eine Menge geistiger Energie darauf verwendest, Dich selbst niederzumachen. Vielleicht ist es an der Zeit, Deine Gedankenwelt zu hinterfragen und zu ändern.

Erkenne Deine (immer wiederkehrenden) Geschichten
Der Mensch ist ein Geschichtenerzähler. Wenn Du das nächste Mal im Stau stehst, mit der Tram oder dem Bus fährst oder in einer Schlange wartest, nimm Dir einen Moment Zeit, um die Gedanken zu überprüfen, die Dir durch den Kopf gehen. Die Chancen stehen gut, dass Du knietief in einer Geschichte steckst. Das kann ein Zeitungsartikel sein, den Du beim Morgenkaffee gelesen hast und jetzt nochmal durchgehst, Pläne, die Du für das Wochenende hast, oder ein Streit mit einem Freund, den Du in Gedanken noch einmal durchspielst. Wie auch immer, es ist eine Geschichte. Und die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass sie einen negativ behafteten Inhalt hat. "Ich bin nicht klug genug", "Ich bin nicht hübsch genug", "Ich bin nicht liebenswert" und "Ich scheitere in Beziehungen" sind oft die zentralen Handlungsstränge unserer Geschichten. Hinzu kommt, dass wir oft Entscheidungen treffen, die diese Überzeugungen verstärken, indem wir Beziehungen, Karrieren und Situationen wählen, die unsere Erwartungen bestätigen und unsere Geschichten wahr erscheinen lassen.
Es mag Dir nicht bewusst sein, aber diese Geschichten sind die Linsen, durch die wir die Welt interpretieren. Wenn Deine Linse grün ist, sieht alles grün aus. Wenn das einzige Werkzeug, das Du hast, ein Hammer ist, sieht alles wie ein Nagel aus. Wenn Deine Geschichte negativ ist, ist es schwer, Positives zu finden. Kein Wunder, dass Santosha wie ein Wunschtraum erscheinen mag.
"Das ist schwer, das schaffe ich nicht" versus "Das ist schwierig, aber mal sehen, wie ich das hinbekomme"
Yoga-Praktiken wie Asana (Körperhaltungen) und Dhyana (Meditation) eignen sich hervorragend, um Deine Geschichten zu untersuchen und zu beobachten, wie sie Deine Stimmung und Einstellung beeinflussen. Wenn Du das nächste Mal auf Deinem Meditationskissen oder der Yogamatte sitzt (vor allem inmitten einer schwierigen Position!), nimm Dir einen Moment Zeit, um in Deine Geschichte hineinzuhören. Ist Deine Standardeinstellung "Das ist schwierig, das schaffe ich nicht", oder ist es "Das ist schwierig, aber mal sehen, wie ich das hinbekommen"? Die Art und Weise, wie Du an Deine Praxis herangehst, ist oft ein Spiegelbild dessen, wie Du an Dein Leben herangehst.
Sobald Du beginnst, Deine Geschichten zu erkennen und sich mit ihnen vertraut zu machen, kannst Du sie als das sehen, was sie sind - Geschichten und nichts weiter. Wenn Du Dich darin übst, Deinen Geschichten zuzuhören, wirst Du mit ihnen vertraut. Vielleicht entdeckst Du sogar, dass sie für Dich gar nicht wahr sind.
Mit der Zeit und etwas Übung wirst Du zwischen den Geschichten, die Du erzählst und der Realität, die Du vor Dir siehst, unterscheiden können. Dann kannst Du beginnen, Abstand zwischen Deine Geschichte und dem, was Du wirklich bist, zu bringen.
Wenn Du beginnst, den Unterschied zwischen den immer wiederkehrenden Geschichten in Deinem Kopf und dem, was sich tatsächlich vor Dir abspielt, zu erkennen, schaffst Du den Raum, um im Augenblick zu leben, zu akzeptieren, was kommt, und eine ganz neue Wahrheit über Dich selbst zu erschaffen - eine, die Dein höchstes Selbst widerspiegelt.
Sobald Du Deine verzerrte Sichtweise und Deine Selbstzweifel abgelegt hast, wirst Du mit grosser Wahrscheinlichkeit entdecken, dass Du grossartig bist, Dein Leben voller Liebe und Glück ist und Du so viel mehr zu bieten hast, als Du dachtest! Dass das Licht, das in Dir brennt, ein weitaus genaueres Abbild dessen ist, wer Du bist, als die unwahren Geschichten, die Du Dir selbst erzählt hast. Das ist der Moment, in dem Santosha möglich wird.
Die Niyamas des achtgliedrigen Pfades des Patanjali führen uns zu einer positiveren Beziehung zu uns selbst, was wichtig ist, da wir keine authentischen und nachhaltigen Beziehungen zu anderen aufbauen können, solange die Verbindung zu uns selbst nicht stark ist. Santosha wird oft mit "Zufriedenheit" übersetzt, und wie wir alle wissen, ist Zufriedenheit nicht die einfachste Sache zu praktizieren....
Wenn, .... dann....
Wie oft kommt Dir der Satz "Ich werde glücklich sein, wenn.... dieses oder jenes eingetroffen ist" in den Sinn?
Selbst wenn wir hingebungsvoll praktizierende Yogis sind, die alles "richtig" machen, gibt es wahrscheinlich immer noch den nagenden Gedanken "Ich wäre glücklicher, wenn, ..." in unserem Kopf. Ob es nun darum geht, Gewicht zu verlieren, einen anderen Job zu bekommen, jemand Neues kennenzulernen oder die Yogastellung einzunehmen, auf die wir lange hingearbeitet haben - es gibt wahrscheinlich ein oder zwei Dinge, von denen Du glaubst, dass sie Dich glücklicher oder zufriedener machen könnten. Der Drang, zu wachsen und unseren Geist zu erweitern und uns näher auf ein Ziel zuzubewegen, ist überhaupt nichts Schlechtes - er wird nur schlecht, wenn wir unser gesamtes Gefühl von Frieden und Glück darauf aufbauen.
Santosha oder "Zufriedenheit" bedeutet nicht, dass wir uns untätig zurücklehnen und auf das Bedürfnis verzichten, etwas zu tun. Es bedeutet einfach, zu akzeptieren und zu schätzen, was wir haben und was wir bereits sind und sich von dort aus vorwärts zu bewegen.
OK, das mag auf den ersten Blick nicht so einfach erscheinen - wenn es so wäre, wären wir alle viel zufriedener mit uns selbst, anstatt ständig nach dem nächsten Ding zu suchen, das uns verspricht, "besser" zu werden. Das ist in der Tat eine schwierige Übung; es liegt in unserer Natur, mehr zu wollen, uns nicht ruhen zu lassen, bis wir irgendeinen vorübergehenden Drang befriedigt haben - und das ist es, was uns geholfen hat, als menschliche Rasse zu überleben!
Aber wir müssen uns überlegen, welche Ziele wirklich wichtig für unser Leben, unsere Welt und unser Wohlbefinden sind. Die Beförderung, das Abnehmen, der Kauf des Autos, des Hauses oder sogar das Kennenlernen und Verlieben sind alles Dinge, die wir ausserhalb von uns selbst suchen, um uns glücklich zu machen - und früher oder später verschwinden diese Dinge (oder zumindest die anfängliche Freude an diesen Dingen). Sobald wir etwas in unserem Leben in Ordnung gebracht haben, scheint etwas anderes kaputt zu gehen. Es ist eine endlose Spirale, in der wir mit Glück, Traurigkeit, Liebe und Angst jonglieren. Wie können wir dem also entkommen und uns weiter in Richtung des Santosha-Gefühls bewegen?
Die Antwort liegt in der Nicht-Anhaftung oder "Vairagya" und der Wertschätzung unseres wahren Selbst.
Der bekannte yogische Text Bhagavad Gita lehrt uns, nicht ausserhalb von uns selbst nach Glück zu suchen, sondern zu erkennen, dass Frieden und Glück im Inneren liegen. Wenn wir uns darauf verlassen, dass Dinge, die ausserhalb von uns sind, uns Freiheit bringen, binden wir uns unweigerlich noch mehr an Unzufriedenheit. Unser Ego erfährt Freude, Schmerz, Verlust, Verlangen, Gier und Glück, und wir machen uns schliesslich abhängig von diesen Erfahrungen, indem wir entweder versuchen, sie wegzuschieben, oder uns an sie klammern - so oder so, es endet meist nicht gut...
Wir sind dem Wandel unterworfen
Du bist vielleicht mit Patanjalis Philosophie vertraut, die sich durch die Sutras zieht und die Theorie aufstellt, dass unser Körper und unser Geist Teil der Schöpfung, der Natur sind und dass das, was wir wirklich sind, dahinter liegt. Wenn wir dies erkennen, können wir eher akzeptieren, dass sich die Natur um uns herum ständig verändert - das Wetter, die Jahreszeiten, die Temperaturen und die Lebenszyklen - und dass auch unser Körper und unser Geist Veränderungen unterworfen sind. Was "uns" (und mit "uns" meine ich unseren Körper, unseren Geist und unser Ego) in einem Moment in Ekstase versetzt, kann im nächsten Kummer bereiten, aber wer wir wirklich sind, ist unveränderlich, rein und wahr und mehr als gut genug!
Wenn Du auf der Suche nach Glück bist, brauchst Du nicht weiter zu suchen - es ist bereits in Dir und es gibt viele Möglichkeiten, es auf und jenseits der Yogamatte zu entdecken.

Santosha auf der Matte
Jeder, der schon einmal an einer Yogastunde teilgenommen hat, kennt das Gefühl: Man arbeitet sich in eine Haltung hinein und kann nicht anders, als einen Blick auf die Nachbar-Matte zu werfen, um zu sehen, ob man "besser" ist als jemand anderes. Gib es zu - das haben wir alle mindestens einmal gemacht! 😉
Egal, ob wir auf den Händen gehen können oder ob es für uns eine Herausforderung ist, länger als zehn Atemzüge im herabschauenden Hund zu verharren - in unserer Praxis gibt es immer noch mehr zu tun und zu entdecken. Die gute Nachricht ist, dass wir ein Leben lang üben können! Es gibt keine Frist, bis zu der wir ein bestimmtes "Niveau" der körperlichen Praxis erreichen können.
In der Tat kann es schwierig sein, uns so zu akzeptieren, wie wir sind, wenn das bedeutet, dass wir noch nicht das tun können, was wir gerne tun würden, aber genau dort zu sein, wo wir jetzt sind, und uns von dort aus weiterzuentwickeln, ist der Schlüssel zu einer nachhaltigen und transformativen Praxis. Wenn wir uns körperlich in eine Asana drängen, für die wir noch nicht bereit sind, reagiert unser Körper, indem er sich zusammenzieht, starr wird und sich quasi gegen unser unaufhörliches Drängen wehrt. Je mehr wir von einem Ort der Angst und des Drängens aus arbeiten, desto weiter entfernen wir uns von dem Ziel, das wir anstreben.
Nimm Dir vor, in Deiner nächsten Yogastunde oder zu Hause zu schätzen, wer Du bist, wie weit Du schon gekommen bist und auf was Du Dich noch freuen kannst. Dein Körper wird es Dir danken und wenn wir das Bedürfnis oder eher gesagt, den negativen Drang los lassen, flexibler, stärker, ausgeglichener oder leistungsfähiger zu sein, wird uns diese Kraft im Handumdrehen zur Verfügung stehen.
Santosha abseits der Matte
Ständig einem Gefühl, einem materiellen Besitz oder einer Person hinterherzujagen, kann nach einer Weile anstrengend werden. Ja, natürlich erleben wir vorübergehend Freude oder Glück, wenn wir erobert haben, was wir wollten, aber wie lange hält das wirklich an? Sobald wir diesen Ort des vorübergehenden Friedens erreicht haben, hängen wir letztendlich sehr an diesem Gefühl und kämpfen darum, es zu behalten, was schliesslich wieder zu Traurigkeit führt, bis wir das nächste Ziel finden, das uns "glücklich" macht.
Genau wie in der Natur verändert sich auch unser Geist ständig; Emotionen und Zustände sind völlig unbeständig und doch sind wir manchmal in einem Wirbelwind von Sorgen gefangen, aus dem es scheinbar kein Entrinnen gibt. Die Versprechungen, die wir uns selbst machen, wie "Ich werde ein besserer Mensch sein, wenn ich das geschafft habe", "Ich muss nur 5 Kilo abnehmen, dann geht es mir gut", "Ich werde glücklich sein, wenn ich diesen Job/diese Beziehung/dieses Auto/dieses Geld.... habe", führen dazu, dass wir den gegenwärtigen Moment als den schönen und perfekten Moment, der er gerade ist, völlig ausser Acht lassen.
Die Suche nach Glück in irgendeiner Form ausserhalb von uns selbst, sei es in Form von Menschen oder Besitztümern, führt nur zu noch mehr Suche.
Die Dinge um uns herum, unsere Erfahrungen und unsere Emotionen verändern sich ständig, aber unser wahres Selbst ist völlig unveränderlich. Wer wir wirklich sind und immer sein werden, ist bereits vollkommen gut genug.
Wir haben die Angewohnheit, damit zu warten, "wir selbst zu sein", bis wir diese nicht enden wollende To-Do-Liste von Dingen erfüllt haben, die uns "besser" machen werden. Nun, die Wahrheit ist - Du wirst immer Du selbst sein, und Du kannst entweder weiterhin Deine Grossartigkeit ignorieren, um nach etwas zu streben, von dem Du glaubst, dass Du es sein solltest, oder Du kannst es schätzen, es lieben und das Beste sein, was Du jetzt sein kannst. Wahrhaftig und authentisch Du. Sei zufrieden mit dem, was Du bist und was Du hast, denn es gibt niemanden, der der Welt das bieten kann, was Du zu bieten hast.
Um dem Frieden näher zu kommen, ist Santosha unbestreitbar eine der wichtigsten Praktiken, auf die man immer wieder zurückkommen sollte - wir können nicht lieben, vertrauen, geben oder vollständig leben, solange wir nicht genug von dieser Liebe in uns selbst haben.
Die wichtigste Botschaft, die man daraus mitnehmen kann? Warte nicht auf das Glück. Du hast alles, was Du brauchst in Dir selbst, also gehe hinaus und tue, worauf Du gewartet hast, bis Du "gut genug" bist, denn das bist Du bereits.
Teile diesen Blogbeitrag gerne mit Deinen Liebsten und hinterlasse mir einen Kommentar, was Du aus dem Artikel mitnimmst in Deinen Alltag.

Bis bald wieder auf der Matte,
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